Die Kirchengemeinde "Temple Neuf" ist Teil des evangelischen Gemeindeverbandes Strassburg-Zentrum und gehört zur Evangelischen Kirche der Union in Elsass-Lothringen. Ihre Wurzeln sind lutherisch.

Seit 2011 hat sie ein neues Leitbild entwickelt, das ihre Öffnung als Citykirche im Strassburger Stadtzentrum vorsieht. Das Programm "respire" (Religion, Spiritualität, Reflexion) bietet Menschen, die den Kirchen und der christlichen Tradition fernstehen, die Möglichkeit zur (Wieder-)Entdeckung eines weltoffenen und aufgeschlossenen evangelischen Lebens. Angebote der evangelischen Erwachsenenbildung und spezielle Glaubenskurse für "Passanten" bilden einen Schwerpunkt der Citykirchenarbeit am Temple Neuf.

Pfarrer Rudi Popp spricht Deutsch und steht gerne zum Gespräch zur Verfügung (Tel. 03 88 32 89 89).

Geschichtlicher Überblick

Unter den evangelischen Gemeinden von Strassburg wird der "Temple Neuf" (ehemals "Neue Kirche") traditionnell an erster Stelle genannt, weil sie die ehemalige evangelische Münstergemeinde ist.
In der Reformationszeit gingen alle Kirchen Strassburgs zur evangelischen Lehre über, und auch das Münster wurde lutherisch. Ludwig XIV. gab jedoch das Münster im Jahr 1681 an die Katholiken zurück. So wurde der dortigen evangelischen Gemeinde die Dominikanerkirche, die an Stelle des heutigen Temple Neuf stand, zugewiesen. Sie wurde für die Münstergemeinde zur "Neuen Kirche", was in französisch-hugenottischer Tradition mit "Temple Neuf" übersetzt wurde.

Die Dominikanerkirche aus dem 13. Jahrhundert, "Kirche zu den Predigern" genannt, war in gotischem Stil errichtet worden und bestand aus zwei Langschiffen. Das ursprünglich angrenzende Dominikanerkloster war das erste, das sich um 1250 in der freien Stadt Strassburg innerhalb der Mauern niederlassen durfte. Hier unterrichteten und predigten u.a. Meister Eckhart (1260-1328) und sein Schüler Johannes Tauler (1300-1366). Sie waren einflussreiche Vertreter der deutschen Mystik. Die älteste Fassung des berühmten Adventslieds "Es kommt ein Schiff geladen" wird traditionnell Johannes Tauler zugeschrieben.

Im Chor der alten Dominikanerkirche gründete der Reformator Johannes Calvin 1538-41 die erste evangelische Gemeinde französischer Sprache auf dem Gebiet des heutigen Frankreich. 

Das alte Kirchengebäude wurde im Jahr 1870, bei der Belagerung Strassburgs durch deutsche Truppen, in Brand geschossen. Dabei wurde auch die damals im Chor untergebrachte Stadtbibliothek (die zweitgrösste Frankreichs mit 400.000 Büchern) vernichtet. Sie enthielt das einzige Exemplar des "Hortus Deliciarum" von Herrade von Landsberg, der Äbtissin des Odilienbergs, und viele wertvolle Handschriften der deutschen Mystik.

Der neue "Temple Neuf" wurde in den Jahren 1874-77 von Emile Salomon in romanisch-byzantinischem Stil erbaut. Das Gebäude bildet mit seinen Seitengewölben einen Raum von imposantem Ausmass. Kanzel und Altar heben sich in weissem Kalkstein von einer sogenannten inneren Fassade ab.
In der Kirche wird auch der Grabstein Johannes Taulers aufbewahrt, der aus den Ruinen von 1870 geborgen wurde.